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Posts Tagged ‘Hafen’

Heute galt es, zum zweiten Mal hintereinander sehr tapfer zu sein, denn schon wieder wollten wir früh raus. Naja, jedenfalls für unsere Verhältnisse früh. Ja, heute waren wir so todesmutig, bereits vor dem Frühstück was vorzuhaben! Es stand schließlich noch die Photosession der Casa Batlló mit sonnenbeschienener Fassade an, und die Sagrada Família war auch noch nicht unter jeder denkbaren Lichtbedingung abkonterfeit. Wohlan also, frisch mit Hypotonie und knurrendem Magen ins Verkehrsgetümmel gestürzt!

Am Passeig de Gracia tauchten wir aus der Metro auf, und bald stand sie vor uns, die Casa Batlló. Bzw. wir vor ihr. Gerade noch rechtzeitig, schon warfen die Balkons recht lange Schatten. Puh, ist das ein Frühaufsteherhaus! Dabei war gerade erst halb 12 vorbei! Aber wie es mit langen Schatten oft ist, sie hatten photographisch durchaus ihren Reiz.

Einstweilen genug der Sonne für unsere vom frühen Aufstehen geröteten Äuglein, schnell wieder hinab ins milde Kunstlicht der Metro – und ohne Rast und Ruh ging es weiter zur Sagrada Família. Deren Ostfassade (die weihnachtliche) erglänzte bei unserem Eintreffen noch im mittlerweile spätvormittäglichen Licht. Wir mischten uns unter das schon wieder recht reichliche Volk in dem Miniatur-„Park“ mit dem kleinen Teich vor der Kirche (dem satten Ausdruck in den Gesichtern der meisten Leute war zu entnehmen, daß das Volk mehrheitlich schon gefrühstückt hatte und wir so gesehen einer Minderheits-Volksgruppe angehörten), betrachteten das Bauwerk und belichteten die Sensoren.

Nach einer Weile des Betrachtens und Belichtens stiegen wir abermals in die Unterwelt hinab, um nach soviel seelisch Erhebendem endlich auch der leiblichen Erbauung zu frönen – der Schreiber dieser Zeilen hatte einen Kaffee und was zu beißen inzwischen verdammt nötig. Ohne Umschweife (aber mit einmaligem Umsteigen) brausten wir zurück zu unserer Metro-Station Jaume I (nur wegen der Verrücktheit: die englische Wikipedia hat auch einen – ziemlich entbehrlichen – Artikel über diese Station) und saßen wenige Minuten später bei Kaffee, Tee, Tostadas, Croissants und Orangensaft vor dem „Nemrut“ in der Sonne.

Allseits gestärkt machten wir uns wieder auf, um nach 1 Tag der Entbehrung endlich mal wieder ein Gaudí-Haus zu besichtigen 😉 Unser Ziel war der Palau Güell (Wikipedia hat einen überraschend mäßigen Artikel dazu) in einer Seitenstraße der Ramblas, nicht weit zu gehen.

Man spürt förmlich die Nähe Gaudís, wenn man sich dem Hause nähert. Gegenüber gibt es ein „Hotel Gaudí“, ein „Supermercat Gaudí“, eine „Botiga Gaudí“, ein „Art Gaudí“… um die Ecke in einem anderen Hotel eine „Bar Gaudí“ – ja, sie wissen schon, was sie an ihm haben…

In der recht engen Straße ist vor dem Palau Güell ein Stück des Gehweges der Länge nach mit einem Absperrband abgeteilt, dort steht man nach Eintrittskarten an. So weit, so gut, und mit schlappen 10 Euronen Eintritt per Nase hatten wir fast das Gefühl, billig davongekommen zu sein. Fast.

Jetzt wurde es etwas absonderlich. Die Kartenverkäuferin schickte uns mit unseren Eintrittskarten ein paar Meter weiter die Straße runter, wo wiederum die Hälfte des Gehweges mit Absperrband abgeteilt war und wo auch schon ein paar Leute standen. Dort sollten wir uns ebenfalls hinstellen und warten, bis man uns einlasse. Jetzt fiel uns auch auf, daß auf den Eintrittskarten eine Uhrzeit stand, 14 Uhr 45. Noch ein knappes Viertelstündchen. Wir nutzten diese Zeit, um darüber nachzudenken, was dieser Mumpitz wohl solle. Der nächstliegende Gedanke wäre wohl, daß sie immer nur eine definierte Anzahl von Besuchern im Haus haben wollen; aber da man sich drinnen zwar nicht ganz frei, sondern auf vorgegebenen Wegen und in vorgegebenen Richtungen, aber durchaus in vollkommen freier Zeiteinteilung bewegen kann, und da man beim Verlassen keine Zählanlage passieren muß, über die man auf das Kontingent der Einzulassenden einwirkt, ist das einfach eine blöde und zeitraubende Idee ohne nennenswerten Nutzen. Nun ja.

Die verheißene Zeit des Einlasses war gekommen, schon vor ein paar Minuten, da kam eine gestrenge Dame von der Haus-„Verwaltung“ und holte den ersten Teil der Wartenden ab; der Rest, uns eingeschlossen, wurde gebeten, noch „one second“ zu warten. Ich habe auf die Uhr geschaut – es war erheblich länger, bis auch wir endlich hinein durften.

Beim Hineingehen wurde der Schreiber dieser Zeilen zunächst einmal streng ermahnt, seinen Rucksack in ein Schließfach zu sperren. Zwar ist das ganze Haus praktisch frei von Einrichtungsgegenständen oder anderweitig Klaubarem, aber „wenn’s der Wahrheitsfindung dient“…

Jeder Besucher bekam so einen „Audio-Guide“ in wählbarer Sprache, ein Gerät ähnlich einem etwas älteren Funktelephon mit Tastatur und kleinem, praktisch nutzlosem Schwarzweiß-Display. An jeder touristisch relevanten Stelle im Haus stand an der Wand eine Nummer; tippte man die in das Gerät ein und drückte dann den grünen Knopf, kriegte man was zu dieser Stelle Passendes erzählt und ggf. auch noch Bilder angezeigt. So weit, so gut, so prinzipiell praktisch. Leider hatten diese Dinger zwar ausgefuchste Methoden der Navigation innerhalb der einzelnen „Stationen“ und zwischen ihnen, aber eine wichtige Kleinigkeit nicht: Einen Lautstärkeregler. Hielt man sich den kleinen Klugschnacker „richtig rum“ ans Ohr, flog einem das Trommelfell zum anderen Ohr raus. Hielt man ihn anders herum, um die Längsachse gedreht, ans Ohr, war die Lautstärke einigermaßen angenehm, aber die hauptsächliche Schallabstrahlung erfolgte in den Raum, in dem (der restriktiven Einlaß-Politik zum Trotz) jeweils eine größere Anzahl von Menschen sich aufhielt, jeder seinen Brüllaffen ans Ohr haltend, die meisten wohl „falsch herum“. Es war eine babylonische Brabbelei.

Das Haus ist beeindruckend. Sehr beeindruckend. Der Auftraggeber, Eusebi Güell (Wikipedia-Artikel? Na klar) gehörte sagenwirmal nicht zu den Armen, allerdings auch nicht einfach zu den Reichen, sondern zu den richtig, richtig Reichen – elterliches Erbe, reiche Heirat und erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit ergänzten sich aufs Eleganteste -, so daß er es sich leisten konnte, Gaudí den Bau-Auftrag zu erteilen, ohne einen Kostenrahmen vorzugeben.

Die Eingangstüren sind so groß, daß man mit Kutschen hineinfahren konnte. Diese fanden (damals; heute nicht mehr) im Erdgeschoß ihren Platz, während die Pferde vom Stallpersonal über Rampen in die Ställe im Keller geführt wurden und die Insassen der Kutschen sich inzwischen über schöne Treppen in die hochherrschaftlichen oberen Etagen begaben.

Die Decken bestehen aus exotischen Hölzern und sind reich bis überreich mit Schnitzwerk versehen. Vom – sicherlich ästhetisch damit korrespondierenden – Mobiliar ist leider fast nichts mehr vorhanden.

Das Herzstück des Hauses bildet eine Privatkapelle, die sich über mehrere Etagen erstreckt. Es gibt eine Orgel in der obersten Etage, der ursprünglich zugehörige Spieltisch ist ganz unten (das muß für den Organisten seltsam gewesen sein). Das Haus ist leider im Bürgerkrieg beschlagnahmt worden und diente während der gesamten Franco-Zeit irgendwelchen profanen staatlichen Zwecken, wodurch es in einen recht schlechten Zustand geriet. Die Orgel ist dabei total vor die Hunde gegangen und mußte in den 90er Jahren komplett (bis auf wenige Prospekt-Teile) erneuert werden, wobei dann auch gleich ein neuer Spieltisch direkt bei der Orgel installiert wurde.

Kein Gaudí-Haus ohne schöne Dachterrasse, auf der etliche Schornsteine in phantasievollen Formen und teils bunten Farbmustern stehen. Man hat eine herrliche Aussicht.

Ganz benommen von diesem Prachtbau fanden wir uns geraume Zeit später auf den Ramblas wieder. Ganz in der Nähe wartete schon das nächste Ziel auf uns – der Markt! Eine Ansammlung von Ständen inmitten tausender und abertausender Menschen unter einem Dach. Obst, Fisch, Obst, Fleisch, Obst, Gemüse, Obst, Gewürze; hin und wieder, meist flankiert von Obstständen, ein kleiner Ausschank. Die Obststände präsentieren sich in erster Linie für Touristen, man bekommt die verschiedensten Obstsäfte in jeder denkbaren Mischung und abgepackte Obststückchen-Sammlungen in verschiedenen Packungsgrößen – daneben natürlich auch unversehrtes Obst. Dem Schreiber dieser Zeilen fiel bei seiner charmanten Begleiterin ein seltsam glasiger Blick und ein schneller Puls auf, während wir uns von Obststand zu Obststand bewegten. Kein Zweifel – diese Symptome deuteten auf einen schweren Mangel an frischem Obst hin, sofortiges Handeln war notwendig. Nein, eigentlich nicht; sofortiges Kaufen (ohne zu handeln) war notwendig! So verließen wir, schwer bepackt mit Vitaminen in fester und flüssiger Form, die Markthallen.

Gemütlich schlenderten wir die Ramblas runter bis zum Hafen, wo unser letzter Programmpunkt dieses erholsamen Urlaubstages auf uns wartete – eine Hafenrundfahrt. Davon gibt es zwei Varianten: eine zweistündige und eine gut halbstündige. Verglichen mit z.B. Hamburg ist der Hafen von Barcelona recht sagenwirmal übersichtlich; insofern erschien uns die kurze Variante ausreichend. Bis zum Auslaufen des Bootes war noch eine halbe Stunde hin, so konnten wir noch in aller Ruhe unvernünftige Mengen von Obst vertilgen und ein wenig am Ufer rumsitzen. Faszinierend – während im „Landesinnern“ bis wenige Meter vom Wasser entfernt nur ein leichter Wind ging, blies uns auf diesen letzten paar Metern plötzlich eine steife Brise entgegen. Mäßig fröstelnd hielten wir unsere Nasen in die Brise und schauten den Schwärmen von größtenteils jungen Möwen auf dem Wasser und von größtenteils jungen Menschen am Ufer zu.

Dann war es soweit, das Boot (eine kleine Personenfähre) legte an,  und wir gingen an Bord. Das Boot hatte, wie bei Fähren verbreitet üblich, kein definiertes „vorne“ und „achtern“, sondern an beiden Enden einen „Fahrstand“ (Brücke wäre wohl etwas übertrieben), und dieser Janus-Natur wurde u.a. dadurch Rechnung getragen, daß bei den Sitzbänken auf dem Oberdeck die Rückenlehnen hin- und hergeklappt werden konnte, so daß die Fahrgäste freie Wahl hatten, ob sie vorwärts oder rückwärts fuhren.

Die Fahrt verlief unkommentiert, jeder Fahrgast mußte selber wissen, was er da sah und wie er das zu finden hatte. Am Anfang passierte man einige Luxusyachten, größtenteils solche rundgelutscht wirkenden Angeberfahrzeuge, bei denen jeder Zentimeter Rumpflänge und Masthöhe „Stinkreich“ sagt, aber auch ein eigentlich ganz hübsches Schiff, dessen Bauart unschwer erkennen ließ, daß es sich um ein älteres Semester handelte. Es war die „Talitha G“, inzwischen über 80 Jahre alt, nach wechselvoller Geschichte jetzt im Besitz der nicht unbedingt dem Prekariat zuzuordnenden Familie Getty. Eigentlich ein sehr schönes Schiff – wären da nicht die zwei fetten, mülltonnenförmigen Schornsteine mittschiffs, die das Bild verschandeln. Weiter ging die Fahrt an allerlei großen und kleineren Frachtschiffen vorbei, und wir sahen das letzte einer Reihe von Kreuzfahrtschiffen, die in den letzten Tagen hier gelegen hatten, auslaufen – so ein schwimmendes Hochhaus.

Die Fahrt war ganz lustig, aber wie schon oben angedeutet ist dieser Hafen nicht vergleichbar mit z.B. dem Hamburger Hafen, und dasselbe gilt auch für die Hafenrundfahrt.

Eigentlich hatten wir noch vor, einmal mit der Hafenseilbahn zu fahren, einem eigentlich ausschließlich dem touristischen Vergnügen dienenden Verkehrsmittel, das zwischen dem Montjuic und einem Turm am Hafen hin- und herfährt; aber wenn auch der Turm in Luftlinie nicht weit weg war, wäre es doch ein ganzes Stück zu gehen gewesen (bis zum anderen Ende auf dem Montjuic sowieso); so fiel dieser Programmpunkt für heute der allgemeinen Erschöpfung zum Opfer.

Mit einer Abschiedsvisite in dem kleinen Restaurant „Ample 24“ und einigen Abschieds-Mojitos im „Hook“ klang der Tag, unser letzter voller Tag in Barcelona, aus.

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